Künstler:innen
Lichte Momente 2024
Arianne Olthaar (NL)
① — Hotel Forum, 2016
Videoarbeit, 9'40 Min
Ort: Felix-Nussbaum-Haus, Lotter Str. 2
Der Film eröffnet mit einem ausgedehnten Kameraflug über eine unklare Struktur, vielleicht der Blick aus großer Höhe auf eine Gebirgslandschaft – Schnitt – durch öde Landschaft fahren wir auf einen einsam stehenden, brutalistischen Bau zu – wieder Schnitt – und wir sind im Inneren eines Gebäudes, vielleicht dieses Gebäudes. Hotel Forum nimmt uns mit auf eine geheimnisvolle Tour durch ein verlassenes Hotel irgendwo im ehemaligen Ostblock. Durch die Architektur nehmen die Träume einer Gesellschaft nach einem guten Leben Formen an. Formen, von denen angenommen wird, dass hier das gute Leben stattfindet. Hotel Forum ist eine Kontemplation über das, was bleibt, wenn die Träume von Luxus und Konsum sich verändert haben oder gescheitert sind.
Arianne Olthaar (geb. 1970) lebt in Den Haag und produziert experimentelle Filme, Fotos und Miniaturmodelle. Wesentliche Grundlage ihrer Arbeiten ist die Faszination für die Vergänglichkeit von Idealen und Formgebungen. Sie porträtiert und dokumentiert verschwundene, versteckte und fiktive Interieurs in Film, Fotografie und Miniaturmodellen. Interieurs, an die sie sich aus ihren Träumen erinnert, ein fiktives Filmset von Rainer Werner Fassbinder, die großzügigen und luxuriösen Staatshotels des ehemaligen Ostblocks in den 1970er und 80er Jahren. Sie hat in den Niederlanden viele Preise und Stipendien erhalten und ihre Arbeiten sind international auf Ausstellungen und Festivals zu sehen.
Lilli Carré (US)
② — Private Properties, 2019
Animation, 3'30 Min
Ort: Kunsthalle Osnabrück, Hasemauer 1
Private Properties ist die investigative Studie eines privaten Raums. Das menschliche Subjekt ist abwesend, sein Zimmer wird mit dem Auge eines Computers untersucht. Linien reihen sich zu flüchtigen Formen aneinander, formulieren für die Dauer eines Augenzwinkerns Raum, Gegenstand, um sich im nächsten Moment wieder zu lösen und der nächsten Formation zuzustreben. Der Film bewegt sich im digitalen wie im physischen Raum und behandelt Symbole von Privatsphäre und Voyeurismus. Alles bewegt sich rhythmisch zum Geräusch von grob gekämmten Haaren, eine Meditation über den Besitz der eigenen Umgebung, der eigenen Dinge und des eigenen Körpers.
Lilli Carré (geb. 1983) ist eine interdisziplinäre Künstlerin, die in den Bereichen experimentelle Animation, Druckgrafik und Keramikskulptur arbeitet. Ihre Animationsfilme wurden international in Museen und auf Festivals gezeigt. Carré ist Co-Leiterin des Eyework Festival of Experimental Animation, das jährlich in Chicago, Los Angeles und New York stattfindet.
Barry Doupé (CA)
③ — Red House, 2022
Animation, 3'00 Min
Ort: Marienstraße 4-5
Es beginnt mit einem roten Haus, der Urform eines Hauses. Ein gelbes Dach, eine braune Tür. Die Immobilie ist mobil, sie ändert ihren Platz, wächst und schrumpft und ändert ihre Form. Ein Gesicht ohne Körper, knallbunt!, erwächst aus dem Haus, verwandelt sich, verschwindet. Ganze Menschen erscheinen, viele Menschen, bunte Menschen, dann ein Tier, vier Beine – schon wieder weg. Ein Weihnachtsbaum, ein Auto. Und wieder das Haus! Formen! Farben!
Barry Doupe (geb. 1982 in Victoria, BC) hat an der Emily Carr University of Art and Design studiert. In seinen Arbeiten verwendet er Bilder und eine Sprache aus dem Unterbewusstsein, die er durch Schreibübungen und automatisches Zeichnen in die sichtbare Welt bringt. In seinem Werk wechseln sich komplex erzählte Animationsfilme in epischer Länge mit intuitiven, kurzen, spielerischen Arbeiten ab. Seine Filme wurden in Kanada und international gezeigt, unter anderem beim Ann Arbor Film Festival, in den Anthology Film Archives, New York, im Lyon Contemporary Art Museum und in der Tate Modern in London.
Eszter Szabó (HU)
④ — The Reconquest of Paradise, 2011
Animation, 3'00 Min
Ort: Bierstraße 13
Im Zentrum eines belebten Dorfplatzes steht eine Statue auf einem eigentümlichen Sockel, in einer Hand das Kreuz, Symbol religiöser, in der anderen ein Szepter, Symbol weltlicher Macht. Um die Statue gruppiert ist eine Anzahl von Gebäuden, Kirchen, ein Supermarkt, ein riesiges, rosafarbenes Zelt, Amtsgebäude. Ein Springbrunnen plätschert, eine Blumenwiese, ein verliebtes Pärchen spielt Ball, Schmetterlinge fliegen durchs Bild. Ein alter Mann hüpft wie ein fröhliches Kind. Glückliche Menschen tanzen in den Supermarkt und kommen mit Einkäufen bepackt wieder heraus, Kirchenglocken läuten. Schöner kann es nicht sein. Die Ruckeroberung des Paradieses entstand im Jahr 2011, als mit der „konservativen Revolution“ und der Wahlrechtsreform durch die Fidesz-Partei die politische Situation in Ungarn zu eskalieren begann. Das Werk ist eine ironische Formulierung eines idyllischen Zustands, ein Entwurf für eine „ideale“ Zukunft.
Eszter Szabo (geb. 1979 in Budapest) arbeitet im Bereich Zeichnung und Malerei, dazu kommen kurze, nicht-narrative Videoloops, oder besser: Bewegtbilder. Meist handelt es sich bei diesen Bewegtbildern um animierte Weiterentwicklungen ihrer Gemälde. Sie interessiert sich für das Aufeinandertreffen von konstruierten Menschenbildern mit menschlicher Realität, erforscht die Erscheinungsformen sozialer Prozesse und die Quellen der öffentlichen Meinung. Ihre Werke sind international in Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.
Dagmar Weiss (DE)
⑤ — BUXUS, 2019
3 Videoarbeiten aus der 5-Kanal-Installation, je 5'35 Min
Ort: Kunsthalle Osnabrück, Fensterfront zur Neuen Straße
Drei Vorgärten im Wohngebiet einer beliebigen deutschen Kleinstadt, angelegt nach dem Prinzip von Ordnung und Sauberkeit, werden in BUXUS zu Bühnen ortsspezifischer Choreografien. Kleine Personengruppen, vielleicht Bewohner:innen des Ortes, ordnen sich einer Gestaltung unter, die durch die Architektur der Gärten, Anordnung, Ausmaße und Geometrie ihrer Formgehölze bestimmt ist. Sie schreiten Wege ab, verschwinden hinter Koniferen und kreisen mit den Köpfen vor kugeligen Buchsbäumen. Befragt wird Zweck und Wirkungsweise von Ordnung: Wer stellt sie auf und wer ordnet sich ihr unter? Die Videoarbeiten von Dagmar Weiss sind oft nahezu fotografische Kompositionen. Settings, gefundene oder geschaffene, in denen Protagonist:innen performative Handlungen durchführen. Stets liegt diesen eine präzise Aufgabenstellung oder Choreografie zugrunde. Durch die suggestive Wirkung der Handlungen findet eine Umdeutung und Neuinterpretation von Vertrautem statt.
Dagmar Weiss (geb. 1978 in Marburg) beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit den Fragen der menschlichen Existenz, mit gesellschaftlichen Strukturen, Machtverhältnissen, Identitäts- und Sinnfragen. Sie studierte an der Fachhochschule Bielefeld Fotografie und Film-Design und an der University of Art and Design in Helsinki Fotografie. Ihre Videoarbeiten und Fotografien wurden in zahlreichen internationalen Ausstellungen und auf Festivals gezeigt.
Manuel Boden (DE)
⑥ — Spoiler, 2020
Found Footage Videoarbeit, 5'14 Min
Soundtrack: AIRCHINA
Ort: gutdampf, Hasestraße 58a
Unterlegt von einem treibenden Soundtrack patrouillieren Miniaturhubschrauber in nervösen Flugbahnen durch menschenleere Privaträume. Sie sondieren Wohnzimmer, Schlafzimmer und Flure auf der Suche nach etwas, das für die Zuschauer:innen geheim bleibt. Manuel Boden montiert in diesem Werk gefundenes Material zu einem unheimlichen, aber auch humorvollen Spionagethriller. Die Aufnahmen stammen offenbar von Modellhubschrauberpilot:innen, die ihre Flugkünste dokumentieren und im Internet präsentieren. Sie gewähren dabei, ungewollt oder rücksichtslos, Einblicke in private Territorien. Die Betrachtenden von Spoiler finden sich in einer Situation zwischen Beschämung und voyeuristischem Vergnügen wieder.
Manuel Boden (geb. 1983 in Düsseldorf) bedient sich bei der Beschaffung seines Ausgangsmaterials wie bei seiner Produktion einer großen Vielfalt von Medien. Das Sammeln ist ein zentrales Motiv in seinem Werk, das von Video und Fotografie bis hin zur Produktion von Künstlerbüchern und Zines reicht. Er studierte an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Seine Videoarbeiten wurden international in Ausstellungsräumen, in Programmen und auf Festivals gezeigt.